Neben der Stromerzeugung ist der Tourismus der wichtigste Wirtschaftszweig im Tal, der schon deutlich über 100, eher 150 Jahre existiert. Bereits Mitte des 19. Jahrhunderts bereiste Erzherzog Johann das Montafon und durchquerte es vom Zeinisjoch bis Bludenz. Nicht nur über seine Reise wurde berichtet, auch zahlreiche Reiseschriftsteller schrieben in dieser Zeit über das Montafon und machten es so bekannt.
Die touristische Nutzung der Berge sowie die Industrialisierung insbesondere mit der Eisenbahn Ende des 19. Jahrhunderts hat einen Bewusstseinswandel hervorgerufen und das bis dahin häufig bestehende Schreckensbild der Berge abgelöst. Die alpine Landschaft wurde als natürlicher Ausgleich zur städtischen und industriellen Lebensweise immer mehr anerkannt. Es wurden Schutzhütten (Lünersee-/Douglasshütte 1871, Wiesbadener Hütte 1898, Lindauer Hütte 1899, Wormserhütte 1907 und Neue Heilbronner Hütte 1910) errichtet, Wege angelegt, die Schönheit der Berge in Bildbänden vermarktet und Verschönerungsvereine sowie Sektionen des Deutschen Alpenvereins gegründet. Der Bergführer als neues Berufsbild entstand. Zunehmend wurden die Berge erobert und Erstbesteigungen dokumentiert (Schesaplana und Sulzfluh bereits im 18. Jahrhundert!).
Die Bergsteiger allein hätten aber keinen Tourismus begründen können. Für den Sommertourismus gewann die Bewegung der Sommerfrische dann an Breite, die vor allem die gerade entstandenen Eisenbahnen nutzten. Auch der Individualverkehr nahm immer mehr zu und die Diskussionen um Straßenausbau, Eisenbahn-/Oberleitungs-Bus bis Partenen waren denen von heute erschreckend ähnlich. Nur diskutierte man damals über 50 Fahrzeuge pro Tag in Schruns, heute an derselben Stelle über bis zu 20.000. Die Sommerfrischler wollten dem Dreck, Gestank und Lärm der Städte auf Zeit entkommen und die Natur auf dem Land genießen. Nach 1900 machten sich die Gäste auch zunehmend auf Maisäßen breit, die sie mieteten oder sogar kauften. Damals – wie heute – wurde der “Ausverkauf der Heimat” von der Bevölkerung überwiegend kritisch gesehen.
Selbstredend gab es auch schon damals Gegner des Tourismus, die z.B. eine Verschlechterung der Moral durch die Fremden fürchteten. Fakt ist, dass der Tourismus schon damals das Tal und die Gewohnheiten seiner Bewohner veränderte. So wurde einfache Gasthöfe zu Hotels, die zunehmenden Nächtigungen boten aber auch neue wirtschaftliche Möglichkeiten.
Vor dem ersten Weltkrieg erlebte die Wallfahrt einen Boom im Montafon, der bis zu 40.000 Personen pro Jahr ins Tal brachte. Vor allem die Tschaggunser Kirche, aber auch Maria Schnee in Gaschurn waren Ziele der Wallfahrer.
Erst Anfang des 20. Jahrhunderts verbreitete sich der Wintersport im Montafon und die ersten Wintersportvereine wurden gegründet. Dabei stand zuerst das Rodeln und dann erst der Skisport im Fokus. Der erste Weltkrieg beendete dann die Tourismusaktivitäten 1914, zum Teil wurden Betriebe während des Krieges sogar versteigert.
Zwischen den Weltkriegen wurden die ersten Skischulen eröffnet. Mit der Stromerzeugung entstanden durch Stauseen und allem voran der Silvretta Hochalpenstraße weitere Attraktionen für Touristen. Auch Kinder- und Jugendgruppen kamen jetzt zunehmend in die Berge. Durch die 1000-Mark-Sperre und dann den zweiten Weltkrieg brach der aufkommende Tourismus jedoch wieder zusammen. “Touristen” waren in der Zeit des Nationalsozialismus in Österreich (1938-1945) beinahe ausnahmslos Flüchtlinge, die versuchten, über die Berge in die Schweiz zu entkommen. Aber auch NS-Größen wie der Reichsminister für Rüstung, Albert Speer, besuchten das Montafon regelmäßig und verbanden berufliche Anlässe (Besichtigung der Illwerke-Baustellen) mit dem Privatvergnügen (Skifahren).
Nach dem zweiten Weltkrieg wurde 1947 der erste Skilift im Montafon auf Grabs errichtet , die Hochjochbahn folgte 1950 und die ersten Skigebiete entstanden. Die Aufstiegshilfen der Illwerke für die Kraftwerke, wie z.B. der Schrägaufzug am Golm oder die Höhenbahn durch den Trominierstollen (Verbindung Vermunt Bergstation Richtung Silvretta), wurden für tourisische Zwecke genutzt. Die Wintersportvereine schlossen sich zum Skiclub Montafon zusammen und die schlagkräftigere Einheit konnte zahlreiche nationale und Internationale Wintersportwettbewerbe ausrichten, welche das Tal wiederum bekannter machten.
Der Touristenstrom wurde zunehmend internationaler. Das Wirtschaftswunder bedeutete für viele Berufstätige zunehmenden Wohlstand und dazu gehörten auch Ferien im Ausland – auch mit dem eigenen Auto. Als Bekanntheitsbeschleuniger für das Tal wirkte auch das in Schruns 1950 gegründete Kurhotel, das viele berühmte Gäste beherbergte. Diese und weitere Faktoren verhalfen dem Winter- wie Sommertourismus im Tal gerade in den 1950er-Jahren zu einen regen und kontinuierlichen Aufschwung. Ein weiterer Meilenstein war die Zusammenlegung der Skigebiete Gaschurn und St. Gallenkirch und deren Ausbau zur Silvretta Nova, die dem Augsburger Unternehmer Walter Klaus gelang.
In den Anfängen haben die Bewohner des Montafon häufig ihre privaten Räume an Gäste vermietet und sind selbst in den Keller oder auf den Dachboden gezogen während der Saison. Bis in die 70er-Jahre war der Druck in den Sommermonaten so stark, dass praktisch Vollauslastung erreicht wurde und immer neue Hauseigentümer zum Vermieten motiviert wurden. In diesen Jahren tauchten auch die bis heute bestehenden Probleme der Überlastung der Infrastruktur und der Kritik am Tourismus auf.
Nachdem zunächst der Sommer im Mittelpunkt des touristischen Interesses stand, drehte dies aufgrund der zunehmenden Wintersportaktivitäten breiter Bevölkerungsschichten und der Winter wurde ab 1981 stärkste Saison im Montafon. In den 1980er-Jahren änderte sich der Tourismus insgesamt. Ferienwohnungen wurden populärer. Die Nähe zum Gastgeber verringerte sich, weil nicht mehr in dessen Stube gefrühstückt wurde. Und die Konkurrenz wurde größer, Flugreisen wurden güstiger und so entscheidet der Gast heute nicht nur, ob er ins Montafon oder ins Tirol zum Skifahren geht, sondern ob er überhaupt Skifahren geht oder nicht lieber auf die Kanarischen Inseln oder gar in die Südsee fliegt.
Mittlerweile wird versucht, insbesondere von den zentralen Tourismusorganisationen des Tales, der Montafon Tourismus GmbH und der Bergbahn Silvretta Montafon, das Montafon als Ganzjahresdestination zu präsentieren. Von allen Beteiligten werden große Anstrengungen unternommen, Ganzjahresattraktionen und touristische Infrastruktur auch für die Sommermonate aufzubauen, wie z.B. die Mountainbike-Bemühungen, Aktivpark Montafon, Klettergärten, Rutschenpark Golm etc. Allerdings steht der Winter mit den Skigebieten Silvretta Montafon, Kristberg Montafon, Gargellen und Golm immer noch an erster Stelle bei der Beliebtheit der Gäste.
Mit der Corona-Krise im Jahr 2020 wird man gespannt sein können, wie sich der Tourismus weiter entwickelt. Nach dem Abbruch der Wintersaison im März 2020 und einem Beherbergungsverbot war der Sommer 2020 einer der erfolgreichsten im Montafon seit Jahren, denn viele Urlaub haben die Nahziele in dieser Zeit wieder entdeckt.
Literaturtipp: Wer noch viel mehr zur Geschichte des Tourismus erfahren will, dem sei das im Jahr 2020 erschienene Werk von Michael Kasper und Edith Hessenberger empfohlen: Willkommen im Montafon!