Von Dr. Andreas Brugger

In den handschriftlichen Unterlagen von Altbürgermeister Anton Brugger befinden sich Aufzeichnungen zum früheren Schulsprengel Tschagguns. Konkret werden darin die Schule „am Land“ sowie jene in den Ortsteilen Bitschweil, Latschau, Mauren und Ziegerberg behandelt. Im vorliegenden Beitrag soll nun die Bitschweiler Schule in den Fokus gerückt werden.

Der Bau und die Anfangszeit des Schulhäuschens Bitschweil

Dazu schreibt Anton Brugger in seiner Schulchronik Folgendes:

„Im Jahr 1824 kaufte die Gemeinde den Bauplatz für das Schulhäuschen von Joh[ann] Jos[ef] Jochum, Tschagguns, Bitschweil H[aus-]N[ummer]o 283. Die Bitschweiler stellten das Baumaterial an den Platz. Anton Neyer und Christian Manahl waren die Maurer. Zimmerleute waren Johann Josef Erhard u. Johann Josef Jochum.

Der Schulbetrieb war nicht beständig.

Frühere Lehrer: Johann Josef Tschofen vom B[artholomä]berg, Josef Georg Jochum, Anton Steu. […]

Manchmal war Schulunterricht mit Ziegerberg, manchmal auch mit Mauren.“

Weitere Aufzeichnungen zur Schule auf Bitschweil finden sich bei Anton Brugger keine. Der vorliegende kurze Beitrag erhebt auch keineswegs den Anspruch, die Schulgeschichte umfassend darzustellen, sondern möchte in weiterer Folge auf die Sanierung des ehemaligen Schulhauses vor 15 Jahren eingehen sowie ein konkretes Schuljahr exemplarisch herausgreifen.

Sanierung des alten Schulhauses auf Bitschweil in den Jahren 2004/05

Auf die Außensanierung im Jahre 2004 folgte im Jahr darauf die Innensanierung. Alt-Bezirkshauptmann Dr. Leo Walser wusste dazu im Jahresbericht 2005 der Montafoner Museen auf Seite 50 Folgendes zu berichten:

„Durch diese außergewöhnliche Aktion zur Rettung des ehemaligen Schulhauses auf Bitschweil konnte ein einmaliges Baudenkmal zur Schulgeschichte dieser Gemeinde und auch der gesamten Talschaft erhalten werden. Die Fertigstellung dieses Projektes wurde am 4. September 2005 mit einem Festakt, an dem einige hundert Personen teilgenommen haben, entsprechend gefeiert.“

Unter diesen Gästen befand sich auch die ehemalige Lehrerin Ruth Gmeiner (geborene Eberharter), die bei diesem Festakt eine Rede hielt und zudem der Volkskundlerin Dr. Edith Hessenberger im Rahmen eines Zeitzeugengesprächs über ihre Zeit auf Bitschweil berichtete. Eine von Hessenberger erstellte Zusammenfassung dieses Gesprächs kann im eben bereits genannten Jahresbericht der Montafoner Museen auf den Seiten 51 bis 55 nachgelesen werden und bildet zudem die Grundlage für die nun folgenden Ausführungen.

Erinnerungen der Lehrerin Ruth Eberharter an das Schuljahr 1947/48

Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg befand sich die kleine Bergschule auf Bitschweil in einem sehr schlechten Zustand und war zudem von Tschagguns aus nur in einem einstündigen Fußmarsch erreichbar. Die Stelle war daher wohl bei den AbsolventInnen des Lehrerseminars in Feldkirch nicht besonders begehrt. Zugeteilt wurde der Posten der 21- jährigen, aus Feldkirch stammenden Junglehrerin Ruth Eberharter, die sich als begeisterte Skifahrerin gerne auf dieses Abenteuer einließ.

In weiterer Folge werden nun einige Textausschnitte aus jenem Interview wiedergegeben, das Hessenberger 2005 mit der ehemaligen Lehrerin geführt hat. Dadurch soll der Schulalltag kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ebenso veranschaulicht werden wie durch eines der Gedichte, das die junge Lehrerin über ihre Eindrücke geschrieben hat.

Zu jener Zeit handelte es sich bei der Schule auf Bitschweil um eine achtstufige Volksschule, bei der alle acht Stufen mit je ein bis zwei SchülerInnen belegt war, die zudem alle aus lediglich drei, offensichtlich kinderreichen Familien stammten. Da alle Kinder gleichzeitig im selben Klassenraum unterrichtet wurden, war die Vorbereitung äußerst aufwändig, zumal es außer einer Landkarte und einigen Bildern kaum Unterrichtsmaterialien gab. Nach einer Stunde, in der alle SchülerInnen gemeinsam unterrichtet wurden, befasste sich die Lehrerin mit den einzelnen Jahrgängen, während die übrigen mit Stillarbeit versorgt wurden. So ist es auch kein Wunder, dass vielfach aus der Not eine Tugend gemacht wurde und die Jüngeren von den Älteren lernten. Zum Turnunterricht erzählte die Lehrerin Folgendes:

„Den Turnunterricht haben wir nur bei schönem Wetter abgehalten. Wir gingen hinter das Schulhaus und haben Völkerball, Blinde Kuh etc. gespielt. Hauptsächlich Ballspiele, Purzelbäume in der Wiese. Im Winter sind wir geschlittelt. Vom Schulhaus ging es gleich bergab.“

 

Der Schulalltag war für die junge Lehrerin, die bei der Bauernfamilie Schuchter (Hausname „Brosis“) in einem kleinen Zimmer unterkam und mit der Familie auf engstem Raum zusammenleben musste, keinesfalls einfach, weil es verständlicherweise sehr anspruchsvoll in der Vorbereitung und der Unterrichtsdurchführung war, acht Schulstufen gleichzeitig zu unterrichten. Die bäuerliche Bevölkerung auf Bitschweil schien dies damals etwas anders zu sehen, wie das folgende Gedicht aus der Feder der Lehrerin beweist:

„Die Bäuerin ,Brosis Christi‘ und was sie von der Lehrerin hält:

Nüt schaffa, halbi Täg hockt sie ful umanand,

ma wäs, wo sie her ischt, vom Schnapfaland.

An Huat ufam Kopf mit ma breita Rand

und allig im Sonntigsgwand.

Ich, wo ich da ganza Tag so schind und schaff,

möchts emol so schö ho wia der Aff.

Tagsöber drei, vier Stund i dr Schual

und dört hockt sie am Födli of am Stual.

Um vieri z’Mittag, am hellliachta Tag

dia Lehreri scho da Tagloh verdienat hat.

Etscha amol muaß sie möt da Gagla kiba

und manchmal bis tüf i’d Nacht ihi schrieba.

Aber hejaha, daför muaß ma sie zahla.

Mit tät des Gschäftli amol ned schlecht gfalla.

So muaß i mr d’Be usam Födli fast springa,

was z’Fräulein verlangt, des muasß i iar bringa.“

Die gegenseitige Wertschätzung zwischen den Berufen war damals (ähnlich wie auch heute) oftmals nicht sehr stark ausgeprägt. Es war kurz nach dem Krieg ohne Zweifel sowohl eine große Herausforderung, eine Berglandwirtschaft zu betreiben, als auch in einer schlecht ausgestatteten einklassigen Volksschule acht Schulstufen gleichzeitig zu unterrichten. Aber auch für die SchülerInnen war der Schulalltag vielfach alles andere als leicht. Barfuß und nahezu immer in der gleichen Kleidung kamen sie zur Schule und die Jause war meist nur sehr spärlich. Zudem wurden die Kinder von ihren Eltern nur in den seltensten Fällen bei schulischen Angelegenheiten unterstützt.

Ob der schwierigen Umstände musste die junge Lehrerin kein zweites Jahr in Bitschweil bleiben. Dennoch erinnerte sie sich in ihrem Interview 2005 schwermütig an die Zeit auf Bitschweil zurück:

„Ich habe in meinem ganzen Leben nie so viele Eindrücke gesammelt wie in diesem Jahr. Erfahrungen mit den Bauersleuten, in der Schule. Ich hatte keine Vorstellung wie es bei den Bergbauern zuging. Es waren eindrückliche Erlebnisse, die ich wirklich nicht missen möchte.“

Impressionen von damals

1963 wurde die Schule infolge ständig rückläufiger Schülerzahlen aufgelassen und im Jahre 2000 schließlich zu einem Baudenkmal erklärt. Wer erahnen möchte, wie der Unterricht dort früher aussah, hat zwei Möglichkeiten: Er kann entweder das alte „Schualhüsli“ auf Bitschweil selbst besichtigen, oder er besucht das Montafoner Heimatmuseum in Schruns. Darin ist nämlich in einem Raum eine alte Schulklasse mit Möbeln von Bitschweil untergebracht. Für einen Besuch des „Schualhüslis“ selbst wendet man sich am besten an den pensionierten Direktor der Volksschule Tschagguns, Manfred Rudigier, der einen Schlüssel dafür hat. Zudem bietet Montafon Tourismus im Sommer regelmäßig geführte Wanderungen an, die einen Besuch des historischen Schulgebäudes beinhalten.

Dieser Text ist ursprünglich in der Ausgabe Nr. 120 (1/2020) vom Gmesblättli Tschagguns erschienen.

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