Endlich ist dieses Buch erschienen! Seit über 20 Jahren wird im Montafon über das „Dritte Reich“ geforscht, geschrieben und in Ausstellungen vermittelt. Aber das hat gefehlt: Ein Gesamtabriss über das Montafon in der NS-Zeit.

Der Direktor der Montafoner Museen, Dr. Michael Kasper, hat dieses Buch allein geschrieben. Natürlich betont er, dass auch das Team rund um die Museen und den Heimatschutzverein beteiligt waren und er (natürlich, so funktioniert ja Wissenschaft) auf Vorerkenntnisse zu dem Thema aufsetzen konnte. Dennoch: Das ist ein Kraftakt und eine Meisterleistung, dieses Forschungsergebnis, was nun als Buch mit über 400 Seiten vorliegt. Zahlreiche Originalzitate von Zeitzeugen, viele Bilder und eine sehr lebendige Sprache lassen das Buch jeden verschlingen, der sich nur etwas mit diesem Thema auseinandersetzen will. Keine trockene Geschichte, der Leser taucht ein in die Zeit und bekommt ein Gespür für die Auswirkungen des nationalsozialistischen Regimes auf das Tal und dessen Bewohner.

Das Buch setzt schon vor der Machtergreifung der NSDAP in Deutschland 1933 an und beschreibt den bereits vorher bestehenden Antisemitismus und das Erstarken des Nationalsozialismus auch in Vorarlberg in den 1930er-Jahren. Natürlich beschreibt der Autor den „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich und das Jubeln vieler Montafoner beim Einmarsch von Wehrmacht und Nationalsozialisten. Breiten Raum nimmt das Thema Widerstand und Verfolgung ein, wobei direkter Widerstand aus dem Montafon eher spärlich in Erscheinung getreten ist. Dafür ist das Thema Flucht und Fluchthelfer durch die Grenze zur Schweiz im Rätikon ein zentrales Themen für die Talschaft in der NS-Zeit und kommt auch im Buch nicht zu kurz.

Aber auch Themen der Gesellschaft wie Ernährung, Versorgung, Rolle der Frauen, Rolle der Ärzte etc. werden beschrieben. Die Auswirkungen auf den Tourismus von der 1000-Mark-Sperre bis zum Tourismus in Kriegszeiten werden in dem Buch ebenso dargestellt wie die Auswirkungen auf Landwirtschaft und natürlich den Energiesektor. Gerade hier wird immer wieder auf die Zwangsarbeiter und deren Lebensbedingungen eingegangen, welche breit zum Ausbau der Wasserkraft im Tal eingesetzt wurden.

Im 2. Weltkrieg haben auch viele Montafoner an verschiedenen Fronten gekämpft, sind gefallen oder vermisst. Deren Schicksal wird exemplarisch dargestellt, das geht bis zur Gefangenschaft und Heimkehr aus derselben, häufig erst Jahre nach Ende des zweiten Weltkrieges am 8. Mai 1945. Auch der Nachkriegszeit mit Entnazifizierung und Besatzung sowie dem Zusammenleben der Menschen nach dem Ende des Nationalsozialismus widmet sich das Werk.

Lesen und nie vergessen kann die Empfehlung hier nur lauten. Und für alle Historiker: Weiterforschen, selbst mit diesem umfassenden Werk sind noch lange nicht alle Details geklärt und aufgeschrieben.

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