Hintergrundgespräch mit Herbert Bitschnau, Standesrepräsentant Stand Montafon, Bernhard Maier, Standessekretär Stand Montafon und Hubert Malin, Forstbetriebsleiter Stand Montafon.

Zur Montafoner Kulturlandschaft gehören Montafoner Häuser und Ställe, Barga, Schärma, Bildstöckle und viele andere Bauwerke. Gerade in Maisäß– und Alpgebieten ist heute eine stark schwindende Eindeckung dieser Gebäude mit Holzschindeln zu beobachten, die für das Tal charakteristisch ist. Über Jahrzehnte, nein, Jahrhunderte, wurden diese Gebäude mit Schindeln aus Fichtenholz gedeckt.

Das ebenso tauglich Holz der Lärche kommt im Montafon zu wenig vor. Aber Fichtenholz war das Material im Tal, das man im Gegensatz zu anderen Baumaterialien ausreichend hatte, nicht von ungefähr ist der Forstfonds des Stand Montafon mit über 6400 ha Wald der größte Waldbesitzer in Vorarlberg. Diesem gehören viele Wälder in großer Höhe, in denen gutes Schindelholz vorkommt.

Problematisch ist, dass seit Jahren zu wenig Schindelholz im Montafon verfügbar ist, um den Bedarf auch nur annähernd zu decken. Der Bevölkerung ist das schwer zu vermitteln, verkauft doch der Stand gleichzeitig zigtausende Festmeter Nutzholz.  Zu den vielschichtigen Hintergründen dieses Problems haben wir uns am runden Tisch im Stand Montafon mit Herbert Bitschnau, Standesrepräsentant Stand Montafon, Bernhard Maier, Standessekretär Stand Montafon und Hubert Malin, Forstbetriebsleiter Stand Montafon, ausgetauscht.

Titelbild: Ein neu entstandenes Maisäßdach am Kristberg.

Maisäß Gaschurn, Ganeu. (Foto: Manfred Schlatter)

Schindeln. (Foto: Manfred Schlatter)

Aufwendige Dachschindelholzgewinnung

Die Schindelholzgewinnung ist extrem aufwändig, erläutert uns Hubert, der damit viele Jahre Erfahrung hat. Früher, ohne Maschinen und Hubschrauber, musste das Holz mit Schlitten im Winter ins Tal gebracht werden und jedes Stammstück wurde für die Erzeugung von Schindeln verwendet, wenn es geeignet war. Schindelholz soll möglichst weit oben in den Bergen wachsen, dann sind die Jahresringe aufgrund des langsameren Wachstums enger und die Schindeln halten länger. Außerdem sollte eine Schindelfichte außerhalb der Saftzeit, also im Spätherbst und noch besser während der Wintermonate gefällt werden, um eine optimale und nachhaltige Nutzung zu erzielen. Und unter 55 cm Stammdurchmesser macht das Fällen auch wenig Sinn, so Hubert. Selbstverständlich stören auch zu viele Äste, Drehwuchs und andere natürliche Wuchseigenschaften die Verwendungsmöglichkeit als Schindelholz.

Das Holz muss gut spaltbar sein, darf nicht graben und muss außerdem in der saftfreien Zeit geschlägert werden, damit es möglichst wenig Wasser enthält. Diese Kombination aus Winter und hoher Lage macht die Sache nicht einfacher, denn häufig herrschen aufgrund der Schneelage dann Bedingungen, in denen eine einigermaßen wirtschaftliche Holzgewinnung dieser verstreut wachsenden Einzelbäume nicht mehr möglich ist. LKWs und große Maschinen können dann nicht mehr wirtschaftlich eingesetzt werden. Das Zeitfenster für die Schindelholzgewinnung ist also sehr knapp. Der Großteil der Holzschlägerungen erfolgt bereits von April – Oktober, so dass ein Aussortieren bei den Herbstnutzungen nicht mehr genug geeignetes Schindelholz hervorbringt, um den Bedarf im Tal zu decken, so Hubert.

Rellseck. (Foto: Manfred Schlatter)

Obere Röbi Alpe, Gargellen. (Foto: Manfred Schlatter)

Geeignete Stämme zur Erzeugung von Schindeln kommen in den Standeswäldern außerdem sehr verstreut vor und bei der Einzelstammnutzung in den Standeswäldern sind auch die Bringungsmöglichkeiten und forstgesetzlichen Bestimmungen zu beachten. Man kann davon ausgehen, dass auch in sehr schönen Waldbeständen Schindelholz nur im unteren einstelligen Prozentbereich vom gesamten Holzbestand vorhanden ist. So gewinnt Hubert mit seinem Forstteam jedes Jahr rund 13.000 bis 14.000 Festmeter Nutzholz. Davon sind am Ende rund 50 Festmeter geeignetes Schindelholz, das grundsätzlich aussortiert wird. Eine maximale Ausbeute und Aussortierung von Schindelholz ist in der Praxis schlecht möglich, da bei der notwendigen, hochmechanisierten Holzernte mit Seilbahnen schräg zum Hang der eine oder andere möglicherweise taugliche Baumstamm mitgeerntet wird.

Der Holzprofi im Montafon: Reini Ganahl. www.holzmontafon.at

Holzdachschindeln als Teil der Montafoner Kulturlandschaft

Der aufwendigen Gewinnung des Schindelholzes steht das Bestreben gegenüber, Dächer mit Schindelholz zu erhalten, weil sie einen Teil der DNA des Tals und der Montafoner Kulturlandschaft darstellen. Diese Bemühungen um dem Erhalt der einzigartigen Kulturlandschaft und dem dazugehörigen Baustil mit viel Holz finden in verschiedenen Richtungen Niederschlag im Tal:

  • Beim Stand Montafon ist der Kulturlandschaftsfonds angesiedelt, der früher bezeichnenderweise Dachschindelfonds hieß und auf Antrag unbürokratisch Zuschüsse für die Eindeckung mit Schindeldächern gewährt. Denn das Problem der Eindeckung der traditionellen Gebäude mit Holzschindeln ist nicht nur die Verfügbarkeit des Holzes, doppelt so teuer ist es auch noch. Ein Schindeldach kostet grob das Doppelte als eine sonst übliche Bedachung und hält maximal halb so lang, je nach Qualität der Fichtenholzschindeln 15-25 Jahre.
  • Derzeit wird außerdem vom Stand Montafon gemeinsam mit Handwerkern, Planern und sonstigen Experten ein Handbuch „Werkzeugkoffer Maisäßsanierung“ erstellt, das als LEADER-Projekt mit Unterstützung der EU eine Hilfestellung für die zurückhaltende und angemessene Sanierung von Maisäßgebäuden geben soll, erläutert Bernhard.
  • Letztlich verleiht der Stand Montafon seit 2015 das Signet „Montafoner Baukultur“, mit dem die fachgerechte Erhaltung und Renovierung von baukulturellem Erbe im Montafon ausgezeichnet wird. Auch hier handelt es sich meist um traditonelle Montafoner Häuser oder Ställe mit Schindeldächern.
  • Auf Gemeindeebene, so erklärt uns Herbert, gibt es in einigen Gemeinden wie z.B. Tschagguns die baurechtliche Vorgabe, dass Dächer ab einer bestimmten Seehöhe und in bestimmten Ortsteilen nur mit Holzschindeln gedeckt werden dürfen. In anderen Gemeinden wird das explizit für Maisäßgebiete oder Alpgebiete vorgeschrieben.

 

Wunsch aller dieser Bemühungen ist, dass gerade im Maisäß- und Alpgebiet die Schindeldacheinheit erhalten bleibt. Dies kann man sehr schön auf Plazadels im Gauertal beobachten, dort sind noch alle Gebäude mit Schindeln eingedeckt. Aber auch andere Maisäßensembles wie z.B. Tafamunt und Ganeu in Gaschurn, Montiel und Obere Netza in St. Gallenkirch, Küngsmaisäß in Bartholomäberg bestehen noch überwiegend aus Holzschindeldächern, fasst Bernhard die Lage zusammen.

Viele Maisäße in Höhenlagen um 1500m werden nicht mehr landwirtschaftlich, sondern für Ferienhauszwecke genutzt. Diese sind mittlerweile äußerst begehrte Objekte. Sie werden häufig als die Juwelen des Montafon bezeichnet. Andererseits, gibt Hubert zu bedenken, reicht das Schindelholz aus dem Montafon nicht für alle diese Dächer. Von daher will er hinterfragt wissen, ob auf riesigen Alpgebäuden dann gerade das wertvolle Schindelholz „verschwendet“ werden muss, anstatt ein Blechschindeldach zu bauen. Mit dem Schindelholz, das für ein großes Alpgebäude zur Eindeckung benötigt wird, könnte man rund 10 kleinere Gebäude mit Holzschindeln eindecken. In der Tat ein schwer zu lösendes Dilemma.

Auch wenn Dächer mit Holzschindeln teuer und aufwendig sind, so stellen sie doch für Einheimische wie Gäste zusammen mit dem typischen Montafoner Haus ein zentrales, identitätsstiftendes und einmaliges Merkmal im Montafon dar. Die Bemühungen aus gemeindlichen Verordnungen, dem Kulturlandschaftsfonds, dem Werkzeugkoffer Maisäßsanierung und der Auszeichnung Montafoner Baukultur werden konterkariert, wenn vom Forstbetriebsdienst des Standes nicht ausreichend Schindelholz zur Verfügung gestellt werden kann. Häufig muss dann das Schindelholz von engagierten Eigentümern aus Tirol „importiert“ werden. Von einem sanierungswilligen Eigentümer wissen wir, dass er die Holzschindeln in Russland (!) bestellt hat.

Holzaufarbeitung mit Kippmast Fa. Lau im Rellstal 2018.

Verteilungsproblem: Gerechte Verwaltung des Mangels

Dennoch bleibt zur Tatsache des viel zu wenig vorhandenen Schindelholzes die Frage offen, wer denn das Schindelholz erhält, das in den Standeswäldern anfällt. Bisher läuft es so, dass der Forstbetriebsdienst als erste Instanz weitgehend über die Zuteilung entscheiden. Dabei wird immer darauf geachtet, für welches „eingeforstete“ Objekt die Schindeln gebraucht werden. Hubert betont, dass keinerlei Schindelholz ohne Einforstungsbezug abgegeben wird, auch nicht an Schindelmacher. Ist das Gebäude „eingeforstet“, hat der Eigentümer also ein Servitutsrecht zum Holzbezug, kommt er in die engere Auswahl. Aufgrund der Knappheit des Holzes wird für Objekte, die nicht eingeforstet sind, kein Schindelholz verkauft. Aber allein dieses Kriterium allein beseitigt den Mangel nicht. Also gehen Hubert und seine Mitarbeiter danach vor, welche erhaltenswerten Objekte das Holz erhalten sollen. Im Dauersiedlungsraum werden das nur Objekte sein, die unter Denkmalschutz stehen. In Maisäß- und Alpgebieten wird nach bisheriger Handhabung darauf geachtet, dass eine Schindelholzvergabe bei Objekten erfolgt, bei denen es aus Ensemblegesichtspunkten sinnvoll erscheint, wenn also in unmittelbarer Nachbarschaft die Gebäude auch mit Holzschindeln eingedeckt sind.

Ob diese seit Jahren bestehende Vorgehensweise unter Kulturlandschaftsgesichtspunkten und für den Stand Montafon als öffentliche Einrichtung optimal ist, sind sich alle Beteiligten an diesem runden Tisch eher unsicher. Denn den schwarzen Peter der Mangelverwaltung hat niemand gern auf dem Schreibtisch. Und zum Glück für die Kulturlandschaft sind immer mehr Eigentümer bereit, in ein Schindeldach zu investieren, was das Problem natürlich wieder verschärft.

Montafonerhaus in Gortipohl. (Foto: Manfred Schlatter)

Lösungsansätze
  • Es sollte bei aller Schwierigkeit versucht werden, die Schindelholzernte im Montafon zu optimieren, auch wenn das nicht zum Nulltarif zu haben sein wird. Hier ist die Politik gefordert, die Rahmenbedingungen für den Forstbetrieb zu verbessern. Die erfahrenen Förster des Standes müssen frühzeitig eingebunden werden und können hierzu sicher auch Ideen entwickeln.
  • Die Vergabe des Holzes sollte nach klaren Richtlinien erfolgen, welche die Statuten und darauf aufbauend die Politik vorgeben kann. Hier bietet es sich an, das Instrument des Kulturlandschaftsfonds anzuwenden. Dieser entscheidet heute mit einem Gremium aus Experten (Land, Stand Montafon, Heimatschutzverein, Montafoner Museen), dem auch Bernhard als Standesvertreter angehört, über die Vergabe der Geldmittel aus dem Fonds nach bestimmten Kriterien. Was spricht dagegen, dass dieses Gremium parallel über die Objekte entscheidet, welche Dachschindelholz aus dem Montafon erhalten und dazu ebenso nachvollziehbare und transparente Kriterien entwickelt?
  • Für die Objekte, welche leer ausgehen, sollte zugunsten des Erhalts der Kulturlandschaft überlegt werden, ob nicht der Stand Montafon ein Angebot an Schindelholz zur Verfügung stellen und durch Einkauf größerer Mengen z.B. in Tirol bessere Konditionen erzielen und einen stabilen Nachschubweg aufbauen kann.
  • Die Thematik „Dachschindelholz“ sollte regelmäßig transparent kommuniziert und Probleme sowie Fortschritte in der Öffentlichkeit kommuniziert werden, damit die Bereitschaft steigt, das Dach mit Holzschindeln einzudecken und das Vertrauen in den Stand Montafon als Verwalter der taleigenen Wälder steigt. Zu dieser transparenten Kommunikation gehört auch, dass über die Vergabe des Schindelholzes mit Adressaten öffentlich berichtet wird. Das ließe sich z.B. wunderbar mit der Montafoner Baukultur verbinden, auch hier wird über speziell ausgezeichnete Objekte berichtet.
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