Interview mit Sabine Grohs, Autorin des historischen Romans „Außer Haus“.

Liebe Sabine, Du bist Autorin des Romans Außer Haus. In einem Satz: Worum geht es?

„Außer Haus“ begleitet eine Montafoner Familie durch zwei Jahrhunderte bewegter Zeitgeschichte, über sechs Generationen und quer durch Europa, mit einem Abstecher nach Amerika – das Leitmotiv dabei ist ein Montafoner Haus, das im Wienerwald entdeckt und dessen Herkunft geklärt wird. Gilt das als EIN Satz?

Wie bist Du zu dem Thema und zum Bücher schreiben insgesamt gekommen?

Dank meinem älteren Bruder lernte ich schon in meiner ersten Kindergartenzeit lesen und schreiben. Er hat mich damals sogar für´s Vorlesen bezahlt, weil er selbst nicht lesen wollte. Schreiben war immer schon das Größte für mich. Noch vor der Einschulung schrieb ich aus Büchern in Hefte ab, lernte Zeitungsartikel auswendig, zum Einschlafen überlegte ich mir im Kopf klar ausformulierte Geschichten. Mit 10 Jahren habe ich mein erstes kleines Büchlein geschrieben.

Schreiben und Musik haben immer mein Leben bestimmt, darum habe ich in Wien Publizistik und Musik studiert und als Nebenjobs eben geschrieben und Musik gemacht. Dann habe ich jahrelang im internationalen Marketing und in Werbeagenturen gearbeitet und meine drei Töchter großgezogen. Ich will aber nicht behaupten, dass mein Hang zu Literatur und Musik mir nicht sogar dabei geholfen hätten. Ich habe unzählige Manuskriptanfänge, Konzeptionen und Konzepte, Artikel und Kolumnen, private Familien- und Firmenzeitungen und andere Projekte zu Hause – schreiben entspannt mich und führt mich in eine Welt, die ich mir selbst gestalten kann. Mein erster fertiger Roman entstand in meinen 20ern.

Die Villa, die in „Außer Haus“ beschrieben wird, habe ich tatsächlich bei einem Spaziergang mit meiner ältesten Tochter in einem Vorort von Wien entdeckt, 1994.

Und die Geschichte des Hauses hast Du im Buch verarbeitet?

Genau, und ungefähr, lach. Der Besitzer hat mir persönlich bestätigt, dass dieses Haus ein Montafoner Haus sei, und mein Montafoner Herz war selig. Die Geschichte um diese Villa hat sich dann aber nach genaueren Recherchen doch anders erwiesen, als er sie mir dargestellt hat. Das hat mich sehr getroffen und enttäuscht. Keiner in meinem Umfeld hat das verstanden, aber ich wollte diese Story „Montafoner Haus in Wien“ einfach „haben“.

Und eben: ich kann mir meine Geschichten ja selbst gestalten, also habe ich mir die Story konstruiert, durchgedacht, skizziert, einfach meine „Wunschrealität“ für das Haus konzipiert und das Buch geschrieben. Einer meiner Leitsprüche zum Schreiben, ein Zitat von Dürrenmatt, das genau mit dem Balanceakt zwischen Wirklichkeit und Möglichkeit spielt, leitet „Außer Haus“ auch ein.

Der Roman ist sehr dicht an Informationen über das Tal und seine Geschichte. „Außer Haus“ liefert aber auch viel Information zur Geschichte von Vorarlberg, von Österreich und weiteren Orten in Europa. Warum das?

Ich hatte immer einen sehr engen Bezug zu meinen Großeltern in Tschagguns, die mir sehr viel von ihren „Alltagsgeschichten“ erzählt haben. Darauf wollte ich mich bei „Außer Haus“ besinnen, wenn ich jetzt die Geschichte des Hauses beschrieb – und „Geschichte“, also „das Historische“, einmal nicht den Politikern, Führern und Menschenmassen zuordnen, sondern kleinteilig, mit der sozialen Lupe, am Beispiel von einzelnen, „normalen“ und – böse gesagt – „unbedeutenden“ Menschen darstellen: Menschen wie du und ich, wie Oma und Opa, wie unsere Nachbarn: wie haben die „die Geschichte“ erlebt?

Das Haus ist das Leitmotiv dazu: in einem Haus spielt sich Leben ab, da ist die Heimat für eine Familie, und so ein „Haus“ im Sinn von Heimat hat man auch immer im Herzen, egal, wo man ist. Das passte für mich auch gut zur Wanderlust der Montafoner – „ausser Haus“ zu sein, und auch zur Geschichte des Hauses, die ich in dem Roman „mitnehmen wollte“. Im Haus, ums Haus und außer Haus – so kam zum Beispiel der Titel zustande.

Geschrieben habe ich dieses Buch während meines letzten Jahres in Wien. Das Heimweh wurde und war einfach nach den vielen Jahren in Wien zu groß, ich sehe den Roman heute auch als unbewusste Vorbereitung für mich selbst, endlich wieder sprichwörtlich „nach Hause“ zu kommen. Seit 2014 wohne ich wieder in Vorarlberg.

Also ist „Außer Haus“ ein Buch, das Heimatverbundenheit zum Thema hat?

Ja, aber nicht nur. Ich wollte mehr. Das Buch soll den Lesern die Vergangenheit des Montafon näherbringen, diese greifbar, lebendig und erlebbar machen. Dabei habe ich allerdings nicht die Historiker als Zielgruppe im Visier, sondern ganz normale Leute, Montafon-Verliebte, auch Kinder und Jugendliche, die „Geschichte“ am liebsten einfach aufgrund von erzählten oder gelesenen „Geschichten“ ableiten, greifen und erleben. Darum ist die Geschichte des Montafon mit der Geschichte des Hauses, des Erbauers und seiner Nachkommen, der Bewohner des Hauses und noch weiter mit vielen Szenen auch außerhalb des Hauses, des Tals, des Landes verwoben. Ich möchte, dass meine Leser sich gut unterhalten und ganz nebenbei „mitkriegen“, was sich in den letzten 200 Jahren im Tal zugetragen hat. Sich gut unterhalten und dabei lernen – ein herrlicher Ansatz und der beste Antrieb und Anlaß, zu lesen.

 

Titelbild: Autorin Sabine Grohs.

Der historische Roman übers Montafon ist absolut lesenswert – mehr dazu in in unserem Buchtipp.

Wie hast Du das ganze Wissen zu den Hintergründen zusammengetragen?

In meiner Bibliothek daheim gibt es volle Regale mit Vorarlberger Literatur: Sachbücher genauso wie Bildbände, Lyrik, Romane, alte und neue Erscheinungen. Meine Außenwände daheim müsste ich nicht isolieren – die Wärmedämmung erledigen meine Bücherregale.

Das „Montafoner Heimatbuch“, die diversen erschienenen Heimatbücher habe ich schon als Kind gelesen, und immer wieder. Meine Lieblingsbücher als Kind waren „Tom Sawyer“ von Mark Twain und „Angelika“ von Richard Beitl. Mit Leuten reden ist auch immer wichtig – nicht nur mit den Großeltern, sondern mit anderen Geschichte-Verliebten und Erzählern, gern auch direkt z.B. in Sachfragen mit einem Eisenbahn-Liebhaber: wie reiste man 1898, noch ohne Montafonerbahn und leicht verfügbares Telefon, vom Silbertal nach Paris und stellte als Montafoner auf der Weltausstellung aus?

Durch die langjährige Beschäftigung mit Geschichte und Geschichten ergeben sich auch Verknüpfungen. Wenn man plötzlich „kapiert“, dass der eigene Urgroßvater in Paris gelebt hat, als der Eiffelturm gebaut wurde, die Baustelle also sicherlich mit Interesse verfolgt hat, und dann sogar Fotos davon findet. Oder wenn man in der Literatur Hinweise findet, woher der „Sanderhut“ als Bestandteil der Montafoner Tracht ursprünglich stammt und welchen langen Weg er nehmen musste, bis er im Montafon etabliert war. Wenn man plötzlich versteht, was bestimmte Ausdrücke etymologisch – vom Ursprung des Wortes her – bedeuten und wo sie herkommen, einfach weil man die Frage dazu in sich „mitträgt“ und sie sich nach Monaten oder Jahren ganz von selbst durch einen nebenbei verwendeten Ausdruck, eine dahergesagte Redewendung oder zufällige Lektüre beantwortet. Und für die Kleinigkeiten, die ganz genau sein müssen, gibt es das Internet.

Was in „Außer Haus“ ist Dichtung und was ist Wahrheit?

„Wahrheit“ in „Außer Haus“ ist der Handlungsrahmen. Alle geschichtlichen Fakten zum Beispiel, die Katastrophen, Sagen, die Geografie, auch alte Geschäfte, für die ich Nachweise gefunden habe, und Personen, die man im Montafon als Montafoner kennt, weil sie für ihren Ort in ihrer Zeit bedeutend waren. Es hat für mich einen besonderen Anreiz, mir zu überlegen, was zum Beispiel einen Jakob Jehly dazu gebracht hat, in München Malerei zu studieren, welche Überlegungen und Familienentscheidungen dahinter standen. Oder mir vorzustellen, wie die Augen der Mayer-Brüder geleuchtet haben müssen, als sie den Plan fassten, eine „Anlage“ und Turbine zu kaufen und zu versuchen, im Litzbach Strom zu produzieren: das mussten sie sich ja auch alles erst aneignen! Oder wie eine Adele Maklott als Frau zu ihrer Zeit dazu kam, Fotografin zu werden, wie mutig und durchsetzungsstark sie gewesen sein musste. Neben aller Vorstellungskraft darf man diesen bekannten Persönlichkeiten beim Erzählen aber natürlich nichts unterstellen, sondern muss sie schon allein aus Respekt möglichst objektiv darstellen. Die geschichtlichen Fakten und historischen Persönlichkeiten, die in „Außer Haus“ vorkommen, habe ich am Ende des Buches und auf der Website zu „Außer Haus“ auch nochmal aufgezählt.

„Fiktion“ ist alles, was die Familie und die Nachkommen von Otto Burger und das Haus selbst betrifft – das ja in der Form, wie ich es beschreibe, nicht existiert (hat). Ein paar Szenen sind aus meinem eigenen Erleben „geklaut“, alles Weitere ist konstruiert und erfunden und in die historische Geschichte des Montafon „eingepasst“.

Günter Vallaster aus Schruns ist ein Schulkollege und Freund von mir, der in Wien lebt: ein geschätzter Lyriker, Wortkünstler und Verleger. Er meinte nach der Lektüre, die Vermischung von „Fiktion“, dem Erfundenen, und „Fakten“, dem tatsächlich Stattgefundenen, verschmelze in „Faktion“. Das finde ich sehr schön.

Wie bringst Du das Buch an den Markt, hast Du dafür einen Verlag oder machst Du das selbst?

Manuel Bitschnau, der Geschäftsführer von Montafon Tourismus, hat das Buch als erster Montafoner gelesen. Dass es ihm gefallen hat und wir immer wieder darüber sprachen, hat letztlich in mir zur Initialzündung geführt, denn schon auf der letzten Frankfurter Buchmesse hat eine Freundin von mir, Lektorin bei einem bekannten Verlag, gedrängt, „es“ endlich zu tun, das Buch zu veröffentlichen. Für Publikumsverlage ist die Geschichte aber zu regional angesiedelt, das ist klar.

Dann kam mir der Gedanke, dass „Außer Haus“ ja unter anderem auch gute Werbung für das Montafon ist und ich mich mit meiner Erfahrung als Fundraiserin ja auch um Sponsoren kümmern könnte, denen es genauso ein Anliegen und auch ein Wert ist, das Montafon nachhaltig zu präsentieren. Und nachdem Marketing und Werbung mein Beruf sind, musste ich mich ja nur auf mich selbst besinnen und sehen, was dabei herauskommt, wenn ich mich einfach mal selbst als meine eigene Kundin betrachte.

Mit viel Rückenstärkung von Seiten der Sponsoren konnte ich Lektorat, Korrektorat, Buchsatz und Titelgestaltung in professionelle – zumeist sogar Montafoner – Hände geben und bezahlen. Ich wollte das Ganze einfach, wenn überhaupt, dann so professionell, urtümlich, von Herzen kommend, ehrlich und freudig wie irgend möglich realisieren. Neuartige Publikationsverfahren ohne den bisher üblichen Auflagendruck und effizient genutzte Vertriebswege gaben ein Übriges. So wurde es ein „ghöriges“ Buch, denn anders als ghörig macht man das als Muntafuneri nicht. *schmunzelt*

Das Buch ist am Ende ein Montafoner Gemeinschaftsprojekt: Das Titelbild kommt vom bekannten Montafoner Künstler Roland Haas, Initiator u.a. vom Kunstforum Montafon und SilvrettAtelier. Den Buchsatz und die Covergestaltung hat seine Tochter, Angelika Wittwer, gemacht. Korrektorin war Eva-Maria Dörn, eine bekannte Vorarlberger Mundartdichterin aus dem Walgau. Der Verlag ist meine eigene Firma „GrohsFORMAT“, die besteht, seit in zurück in Vorarlberg bin (und für die es noch viele weitere Pläne in diese Richtung gibt). Die Sponsoren und Förderer von „Ausser Haus“ sind alle im Buch und auf der Website präsent. Von mir stammt der Roman – und eben das „Management“ des Buchprojekts vom Manuskript bis zum fertig gedruckten Buch in den Buchhandlungen oder – noch besser – in den Händen der Leser.

Für mich persönlich wird mit „Außer Haus“ gerade ein Lebenstraum Wirklichkeit – meinen eigenen Roman in Händen zu halten, und eventuell die anderen auch irgendwann einmal zu veröffentlichen. Dafür bin ich unendlich dankbar.

Hier gehts zum Interview der Muntafuner Fee mit Sabine. 

 

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