Von Dr. Christian Feurstein, Geschäftsführer Wirtschaftsarchiv Vorarlberg.
Wer durch das Ortszentrum von Schruns spaziert, dem sticht in der Kronengasse am rechten Ufer der Litz eine markante Gebäudereihe ins Auge. Im ersten Haus waren früher eine Bäckerei, Mühle und Mehlhandlung der vermögenden Kronewirte-Familie Mayer untergebracht. In den bachaufwärts folgenden Bauten befand sich fast eineinhalb Jahrhunderte lang eine Lodenfabrik, ehe 1970 der Betrieb eingestellt wurde. Das sanierte Gebäude mit dem Fassadenschriftzug „Loden-Fabrik“ erinnert aber bis heute an die lange Tradition der Schafwollverarbeitung im Montafon.

Traditionelle Schafhaltung im Montafon

Schon vor rund 200 Jahren wurden auf den Montafoner Höfen mehr Schafe als Rinder gehalten, ganz im Gegensatz zum übrigen Vorarlberg. Zählungen im 19. und 20. Jahrhundert ergaben, dass über die Hälfte aller Schafe Vorarlbergs auf das Montafon entfielen. Aus der Wolle wurden Textilien für den Eigenbedarf und den Verkauf hergestellt. Ebenso exportierte man Schafe in die benachbarte Schweiz und nach Schwaben. 1836 wurde im Montafon ein Höchststand von fast 12.600 Schafen registriert. Bis 1969 verringerte sich deren Anzahl auf nur mehr 1.631. In jüngster Zeit wird die Schafzucht im Montafon wieder als Kulturgut gepflegt. Das zeigt sich in einem Anstieg auf 2.274 Schafe im Jahr 2017, wobei auch im gesamten Vorarlberg die Anzahl der Schafe auf über 13.000 angestiegen ist.

Wasserkraft für Schrunser Betriebe

Im 19. Jahrhundert hielten Industrie und Mechanisierung in Vorarlberg Einzug. Im Montafon lehnte man die Ansiedlung größerer Industriebetriebe ab. Als in den 1830er Jahren ein Fabrikant in Schruns eine Baumwollspinnerei und -weberei errichten wollte, verhinderte die Gemeinde dies. Kleinere Gewerbebetriebe entstanden aber sehr wohl. Da es damals noch keinen elektrischen Strom gab, siedelten sich die Betriebe dort an, wo Wasserkraft zur Verfügung stand. Dazu wurde das Wasser der Litz in einen Kanal abgezweigt, den sogenannten Mühlbach. Dieser zog sich beidseits der Litz durch Schruns und trieb Wasserräder an. Weiter unten leitete man den Mühlbach wieder zurück in die Litz. Als sich im späten 19. Jahrhundert der elektrische Strom durchsetzte, wurden die Wasserräder obsolet. Der Schrunser Mühlbach existiert längst nicht mehr.

Gründung der Oberen und Unteren Lodenfabrik

Die Wasserkraft des Mühlbachs nutzten auch zwei kleine Lodenverarbeitungsbetriebe, die in den Jahren 1826 und 1842 unabhängig voneinander in Schruns entstanden. Im Volksmund wurden sie als Obere und Untere Fabrik bezeichnet. Die Obere Fabrik befand sich in der eingangs erwähnten Kronengasse, die Untere Fabrik hatte ihren Standort in der heutigen Batloggstraße. Während im übrigen Vorarlberg die Baumwollindustrie dominierte, waren die beiden Lodenbetriebe gut in das Montafoner Wirtschaftsgefüge eingebettet. Bauern konnten dort ihre Schafwolle verkaufen, oder diese gegen Bezahlung für den Eigenbedarf verarbeiten lassen. Das Lodengeschäft war aber alles andere als einfach. Immer wieder wechselten die Besitzer der Betriebe, etwa, wenn sie in finanzielle Schwierigkeiten gerieten. Meist waren mehrere Eigentümer beteiligt, von Gastwirten über Textilfärber bis hin zu einem Hammerschmied. Dementsprechend konnten sich diese nicht in vollem Ausmaß der Lodenfabrik widmen. Bei der Unteren Fabrik waren die Verhältnisse ähnlich, wenn auch etwas stabiler. Ab 1878 gehörte die Untere Fabrik zur Gänze dem wohlhabenden Schrunser Landwirt Franz Josef Würbel und seiner Gattin.

Titelbild: Das „Mayer-Imperium“ in der Schrunser Kronengasse um 1908. Links im Vordergrund die Bäckerei und Mehlhandlung, rechts davon der Vordertrakt der Oberen Lodenfabrik, weiter bachaufwärts verdeckt der Webereitrakt. (Fotorepro: Wirtschaftsarchiv Vorarlberg)
Beitrag von Dr. Christian Feurstein, Geschäftsführer Wirtschaftsarchiv Vorarlberg.
Wer durch das Ortszentrum von Schruns spaziert, dem sticht in der Kronengasse am rechten Ufer der Litz eine markante Gebäudereihe ins Auge. Im ersten Haus waren früher eine Bäckerei, Mühle und Mehlhandlung der vermögenden Kronewirte-Familie Mayer untergebracht. In den bachaufwärts folgenden Bauten befand sich fast eineinhalb Jahrhunderte lang eine Lodenfabrik, ehe 1970 der Betrieb eingestellt wurde. Das sanierte Gebäude mit dem Fassadenschriftzug „Loden-Fabrik“ erinnert aber bis heute an die lange Tradition der Schafwollverarbeitung im Montafon.

Traditionelle Schafhaltung im Montafon

Schon vor rund 200 Jahren wurden auf den Montafoner Höfen mehr Schafe als Rinder gehalten, ganz im Gegensatz zum übrigen Vorarlberg. Zählungen im 19. und 20. Jahrhundert ergaben, dass über die Hälfte aller Schafe Vorarlbergs auf das Montafon entfielen. Aus der Wolle wurden Textilien für den Eigenbedarf und den Verkauf hergestellt. Ebenso exportierte man Schafe in die benachbarte Schweiz und nach Schwaben. 1836 wurde im Montafon ein Höchststand von fast 12.600 Schafen registriert. Bis 1969 verringerte sich deren Anzahl auf nur mehr 1.631. In jüngster Zeit wird die Schafzucht im Montafon wieder als Kulturgut gepflegt. Das zeigt sich in einem Anstieg auf 2.274 Schafe im Jahr 2017, wobei auch im gesamten Vorarlberg die Anzahl der Schafe auf über 13.000 angestiegen ist.

Wasserkraft für Schrunser Betriebe

Im 19. Jahrhundert hielten Industrie und Mechanisierung in Vorarlberg Einzug. Im Montafon lehnte man die Ansiedlung größerer Industriebetriebe ab. Als in den 1830er Jahren ein Fabrikant in Schruns eine Baumwollspinnerei und -weberei errichten wollte, verhinderte die Gemeinde dies. Kleinere Gewerbebetriebe entstanden aber sehr wohl. Da es damals noch keinen elektrischen Strom gab, siedelten sich die Betriebe dort an, wo Wasserkraft zur Verfügung stand. Dazu wurde das Wasser der Litz in einen Kanal abgezweigt, den sogenannten Mühlbach. Dieser zog sich beidseits der Litz durch Schruns und trieb Wasserräder an. Weiter unten leitete man den Mühlbach wieder zurück in die Litz. Als sich im späten 19. Jahrhundert der elektrische Strom durchsetzte, wurden die Wasserräder obsolet. Der Schrunser Mühlbach existiert längst nicht mehr.

Gründung der Oberen und Unteren Lodenfabrik

Die Wasserkraft des Mühlbachs nutzten auch zwei kleine Lodenverarbeitungsbetriebe, die in den Jahren 1826 und 1842 unabhängig voneinander in Schruns entstanden. Im Volksmund wurden sie als Obere und Untere Fabrik bezeichnet. Die Obere Fabrik befand sich in der eingangs erwähnten Kronengasse, die Untere Fabrik hatte ihren Standort in der heutigen Batloggstraße. Während im übrigen Vorarlberg die Baumwollindustrie dominierte, waren die beiden Lodenbetriebe gut in das Montafoner Wirtschaftsgefüge eingebettet. Bauern konnten dort ihre Schafwolle verkaufen, oder diese gegen Bezahlung für den Eigenbedarf verarbeiten lassen. Das Lodengeschäft war aber alles andere als einfach. Immer wieder wechselten die Besitzer der Betriebe, etwa, wenn sie in finanzielle Schwierigkeiten gerieten. Meist waren mehrere Eigentümer beteiligt, von Gastwirten über Textilfärber bis hin zu einem Hammerschmied. Dementsprechend konnten sich diese nicht in vollem Ausmaß der Lodenfabrik widmen. Bei der Unteren Fabrik waren die Verhältnisse ähnlich, wenn auch etwas stabiler. Ab 1878 gehörte die Untere Fabrik zur Gänze dem wohlhabenden Schrunser Landwirt Franz Josef Würbel und seiner Gattin.

Titelbild: Das „Mayer-Imperium“ in der Schrunser Kronengasse um 1908. Links im Vordergrund die Bäckerei und Mehlhandlung, rechts davon der Vordertrakt der Oberen Lodenfabrik, weiter bachaufwärts verdeckt der Webereitrakt. (Fotorepro: Wirtschaftsarchiv Vorarlberg)
Beitrag von Dr. Christian Feurstein, Geschäftsführer Wirtschaftsarchiv Vorarlberg.
Wer durch das Ortszentrum von Schruns spaziert, dem sticht in der Kronengasse am rechten Ufer der Litz eine markante Gebäudereihe ins Auge. Im ersten Haus waren früher eine Bäckerei, Mühle und Mehlhandlung der vermögenden Kronewirte-Familie Mayer untergebracht. In den bachaufwärts folgenden Bauten befand sich fast eineinhalb Jahrhunderte lang eine Lodenfabrik, ehe 1970 der Betrieb eingestellt wurde. Das sanierte Gebäude mit dem Fassadenschriftzug „Loden-Fabrik“ erinnert aber bis heute an die lange Tradition der Schafwollverarbeitung im Montafon.

Traditionelle Schafhaltung im Montafon

Schon vor rund 200 Jahren wurden auf den Montafoner Höfen mehr Schafe als Rinder gehalten, ganz im Gegensatz zum übrigen Vorarlberg. Zählungen im 19. und 20. Jahrhundert ergaben, dass über die Hälfte aller Schafe Vorarlbergs auf das Montafon entfielen. Aus der Wolle wurden Textilien für den Eigenbedarf und den Verkauf hergestellt. Ebenso exportierte man Schafe in die benachbarte Schweiz und nach Schwaben. 1836 wurde im Montafon ein Höchststand von fast 12.600 Schafen registriert. Bis 1969 verringerte sich deren Anzahl auf nur mehr 1.631. In jüngster Zeit wird die Schafzucht im Montafon wieder als Kulturgut gepflegt. Das zeigt sich in einem Anstieg auf 2.274 Schafe im Jahr 2017, wobei auch im gesamten Vorarlberg die Anzahl der Schafe auf über 13.000 angestiegen ist.

Wasserkraft für Schrunser Betriebe

Im 19. Jahrhundert hielten Industrie und Mechanisierung in Vorarlberg Einzug. Im Montafon lehnte man die Ansiedlung größerer Industriebetriebe ab. Als in den 1830er Jahren ein Fabrikant in Schruns eine Baumwollspinnerei und -weberei errichten wollte, verhinderte die Gemeinde dies. Kleinere Gewerbebetriebe entstanden aber sehr wohl. Da es damals noch keinen elektrischen Strom gab, siedelten sich die Betriebe dort an, wo Wasserkraft zur Verfügung stand. Dazu wurde das Wasser der Litz in einen Kanal abgezweigt, den sogenannten Mühlbach. Dieser zog sich beidseits der Litz durch Schruns und trieb Wasserräder an. Weiter unten leitete man den Mühlbach wieder zurück in die Litz. Als sich im späten 19. Jahrhundert der elektrische Strom durchsetzte, wurden die Wasserräder obsolet. Der Schrunser Mühlbach existiert längst nicht mehr.

Gründung der Oberen und Unteren Lodenfabrik

Die Wasserkraft des Mühlbachs nutzten auch zwei kleine Lodenverarbeitungsbetriebe, die in den Jahren 1826 und 1842 unabhängig voneinander in Schruns entstanden. Im Volksmund wurden sie als Obere und Untere Fabrik bezeichnet. Die Obere Fabrik befand sich in der eingangs erwähnten Kronengasse, die Untere Fabrik hatte ihren Standort in der heutigen Batloggstraße. Während im übrigen Vorarlberg die Baumwollindustrie dominierte, waren die beiden Lodenbetriebe gut in das Montafoner Wirtschaftsgefüge eingebettet. Bauern konnten dort ihre Schafwolle verkaufen, oder diese gegen Bezahlung für den Eigenbedarf verarbeiten lassen. Das Lodengeschäft war aber alles andere als einfach. Immer wieder wechselten die Besitzer der Betriebe, etwa, wenn sie in finanzielle Schwierigkeiten gerieten. Meist waren mehrere Eigentümer beteiligt, von Gastwirten über Textilfärber bis hin zu einem Hammerschmied. Dementsprechend konnten sich diese nicht in vollem Ausmaß der Lodenfabrik widmen. Bei der Unteren Fabrik waren die Verhältnisse ähnlich, wenn auch etwas stabiler. Ab 1878 gehörte die Untere Fabrik zur Gänze dem wohlhabenden Schrunser Landwirt Franz Josef Würbel und seiner Gattin.

Titelbild: Das „Mayer-Imperium“ in der Schrunser Kronengasse um 1908. Links im Vordergrund die Bäckerei und Mehlhandlung, rechts davon der Vordertrakt der Oberen Lodenfabrik, weiter bachaufwärts verdeckt der Webereitrakt. (Fotorepro: Wirtschaftsarchiv Vorarlberg)
Die Obere (links) und Untere Fabrik (rechts), dargestellt auf einer Rechnung. (Original: Wirtschaftsarchiv Vorarlberg)
Lodenfabrikant Heinrich Mayer. (Fotorepro: Wirtschaftsarchiv Vorarlberg)
Lodenfabrikant Heinrich Mayer

1886/87 begann für die beiden Lodenbetriebe eine neue Ära. Heinrich Mayer aus der oben genannten Kronewirte-Familie erwarb beide Standorte und führte sie fortan als ein Unternehmen. Unter seiner Leitung gewann das Unterfangen an Professionalität. Erstmals wurden die Betriebe von einem einzigen Inhaber geführt, der sein Hauptaugenmerk darauf richten konnte. Außerdem verfügte Heinrich Mayer über die notwendigen Gelder für Investitionen in Maschinen und Gebäude. Darüber hinaus etablierte er die „Lodenfabrik Heinrich Mayer“ als Qualitätsmarke und schloss Verkaufsvereinbarungen mit Handelsgeschäften in den Städten ab.

Prekäre Arbeitsbedingungen im 19. Jahrhundert

In der Schrunser Lodenfabrik waren unter Heinrich Mayer und auch später meist etwa 30 Mitarbeiter beschäftigt. Heute kaum noch vorstellbar sind die Arbeitsbedingungen im 19. Jahrhundert. Verbinden wir mit dem Begriff Industrie qualifizierte Tätigkeiten, Aufstiegschancen, helle und saubere Betriebsräume, so genoss Fabrikarbeit damals nur ein geringes Prestige. Gearbeitet wurde bis zu zwölf Stunden täglich von Montag bis Samstag. Trotzdem reichten die Löhne kaum zum Überleben. Davon war auch die Schrunser Lodenfabrik nicht ausgenommen. Dort verdienten ungelernte Arbeiterinnen um 1885 etwa 45 Kreuzer am Tag. Ein Kilo Schweinefleisch kostete zu dieser Zeit 70 Kreuzer. Kein Wunder also, dass die Lodenfabrik sogar in der Innsbrucker Zeitung Mitarbeitergesuche inserieren musste, während mancher Montafoner zwecks Arbeitssuche lieber das Tal verließ.

Aus den Anfängen des Fremdenverkehrs

Die Lodenfabrik war nicht nur ein wichtiger Wirtschaftsfaktor in der Region, das Wirken Heinrich Mayers reichte weit über seine unternehmerische Tätigkeit hinaus. Als Sohn einer Gastwirte-Familie erkannte er frühzeitig das Potential des damals aufkommenden Fremdenverkehrs. Im ausgehenden 19. Jahrhundert entstanden örtliche Verschönerungsvereine, die sich um Wanderwege, Rastbänke und andere Freizeitangebote für Besucher kümmerten. Heinrich Mayer war führend beim Schrunser Verschönerungsverein aktiv und schien beim 1893 ins Leben gerufenen Landesverband für Fremdenverkehr in Vorarlberg als Gründungsmitglied auf. Im Untergeschoss neben der Lodenfabrik ließ er eine aufwändige Badeanstalt im Jugendstil einrichten, die in den Tourismusprospekten beworben wurde. Längst erinnern nur noch ein paar Relikte im Keller an das frühere Bad. Der Fremdenverkehr aber hat sich zum wichtigsten Wirtschaftszweig der Talschaft entwickelt und der Landesverband feiert heuer sein 125-jähriges Bestehen.

Der Festzug anlässlich der Eröffnung der Montafonerbahn am 18. Dezember 1905 beim Halt in St. Anton im Montafon. (Fotoabzug: Archiv der Montafonerbahn Aktiengesellschaft)
Werbeinserat der Lodenfabrik in einem Fremden­verkehrs­prospekt aus dem Jahr 1906. Beworben wird auch Heinrich Mayers Badeanstalt. (Repro: Wirtschaftsarchiv Vorarlberg)
Bau der Montafonerbahn

Die Familie Mayer setzte sich auch für den Bau der Montafonerbahn ein. Seit der Inbetriebnahme der Vorarlbergbahn 1872 und der Arlbergbahn 1884 war Vorarlberg an das internationale Schienennetz angebunden. Wer ins Montafon wollte, musste aber in Bludenz auf Fuhrwerke umsteigen. So wurden bald Stimmen für eine Eisenbahnverbindung nach Schruns laut. Der Stand Montafon und zahlreiche Bürger zeichneten Aktien für den Bahnbau. Heinrich Mayer und sein Bruder Wilhelm waren Mitglieder eines vom Stand Montafon gegründeten Eisenbahn-Komitees. Wilhelm und Robert Mayer hatten bereits 1895 das Litzkraftwerk errichtet, welches über den Eigenbedarf hinaus elektrische Energie lieferte. Damit verfügte Schruns als erste Gemeinde Vorarlbergs über eine öffentliche Stromversorgung. Das Litzkraftwerk wurde schließlich von der Montafonerbahn AG für den elektrischen Bahnbetrieb erworben. Die 1905 eröffnete Montafonerbahn brachte nicht nur Gäste und Einheimische ins Tal, sondern war auch ein wichtiges Gütertransportmittel, etwa für die Lodenfabrik.

Hochwasserkatastrophe und Tod Heinrich Mayers

1910 führten anhaltender Regen und Schneeschmelze zu einem verheerenden Hochwasser. Das Montafon zählte zu den besonders schwer betroffenen Gebieten. Straßenstücke, Teile der Bahnstrecke, Brücken und Gebäude fielen den Wassermassen zum Opfer. Die Weberei der Oberen Lodenfabrik wurde komplett weggespült. Auch das angrenzende Gebäude mit Vorräten, Waren und schriftlichen Unterlagen wurde stark in Mitleidenschaft gezogen. Bis zur Wiedererrichtung 1915 fanden die Webstühle in der nahegelegenen Mayer´schen Mühle Platz. Den Neubau erlebte Heinrich Mayer nicht mehr. Er verstarb im Jahr 1914 nach länger anhaltender Krankheit.

Heinrich Mayers Tod brachte die ideologischen Grabenkämpfe der damaligen Zeit deutlich zum Vorschein. So wie die meisten Fabrikanten zählte die Familie Mayer zum liberalen Lager. Die ländliche Bevölkerung war hingegen vorwiegend katholisch-konservativ gesinnt und das Wort des Pfarrers hatte großes Gewicht. Feuerbestattungen wurden von der katholischen Kirche abgelehnt. Dass sich Heinrich Mayer trotzdem für eine Einäscherung entschieden hatte, kommentierte die konservative Presse mit den Worten: „Wie gelebt, so gestorben.“

Litzbach-Regulierungsarbeiten nach der Hochwasserkatastrophe von 1910. Im Vordergrund die weggespülte Weberei, dahinter das Dampfkesselhaus mit Kamin, flussabwärts der Gebäudetrakt mit Färberei, Appretur, Büro und Wohnbereich. (Fotorepro: Wirtschaftsarchiv Vorarlberg)
1928 wurde die Untere Fabrik aufgelassen. Das Bild zeigt die Überstellung von Maschinen in die Obere Fabrik. (Fotoabzug: Wirtschaftsarchiv Vorarlberg)
Weltkriege und Wirtschaftskrise

Nach Heinrich Mayer übernahm die mit ihm verschwägerte Familie Borger die Lodenfabrik. Max Borger führte das Unternehmen durch die schwierigen Jahre des Ersten Weltkriegs. Vorübergehend angefallene Frankenschulden bei einem Schweizer Zulieferer brachten die Lodenfabrik in eine bedrohliche Lage. Man einigte sich schließlich auf die Rückzahlung eines Teilbetrags. 1934 übergab Max Borger das Unternehmen an seine drei Söhne Karl, Otto und Hugo. Die Geschäftslage war schwierig und die Eigentümer setzten ihre Hoffnungen in den Nationalsozialismus. Tatsächlich trat mit dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich im März 1938 der erhoffte Aufschwung ein, wie Otto Borger in der Firmenchronik vermerkte. Gleichzeitig nahm aber auch die Katastrophe ihren Lauf. Wie schon während des Ersten Weltkriegs produzierte die Lodenfabrik Soldatenbekleidung in großem Umfang. Die Umsätze sprangen zunächst in die Höhe, gingen mit zunehmendem Kriegsverlauf aber wieder zurück. Die Belegschaft verringerte sich auf 15 Mitarbeiter. Daran änderte auch der Umstand nichts, dass sich die Eigentümer bei der NSDAP bzw. ihren Gliederungen engagierten.

Selfaktor-Spinnmaschine in der Oberen Fabrik um 1936. (Fotoabzug: Wirtschaftsarchiv Vorarlberg / Fotograf: Otto Borger)
Die Lodenfabrik Heinrich Mayers Nachfolger im Winter 1937/38. (Fotoabzug: Wirtschaftsarchiv Vorarlberg / Fotograf: Otto Borger)
Nach 1945: Die Wirtschaft verändert sich

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wandelte sich Vorarlbergs Industriestruktur grundlegend. Die vormals dominierende Textilbranche verlor an Gewicht. Zunehmender Konkurrenzdruck aus Billiglohnländern führte dazu, dass viele Textilunternehmen den Betrieb einstellten oder sich auf Nischenbereiche und technische Textilien konzentrierten. Gleichzeitig traten neue Branchen, insbesondere die Metall- und Elektroindustrie, in den Vordergrund. Vorarlberg entwickelte sich vom Textilland zu einem vielseitigen Industriestandort. Bei der Lodenfabrik ging es nach 1945 zunächst noch bergauf. Man produzierte ein großes Sortiment an Stoffen, exportierte in zahlreiche Länder und kooperierte mit namhaften Bekleidungsherstellern. Werbewirksam wurden in den 1960er Jahre Olympiamannschaften und Himalaya-Expeditionen ausgestattet. Den industriellen Strukturwandel bekam aber auch die Schrunser Lodenfabrik zu spüren. Nach und nach gingen die Umsätze merklich zurück. Zudem stellte sich die Frage, wer den Betrieb in Zukunft führen sollte. Man machte sich auf die Suche nach einem Käufer. Vergeblich, niemand wollte in die rückläufige Textilbranche investieren. So schloss die Lodenfabrik im September 1970 nach 144 Betriebsjahren ihre Tore.

Stoffmusterkarte der Schrunser Lodenfabrik. (Original: Wirtschaftsarchiv Vorarlberg)
Alte Gemäuer in neuem Kleid

Die Spuren der Lodenfabrik sind im Montafon auch heute noch unübersehbar. Der von Heinrich Mayer geförderte Fremdenverkehr ist inzwischen der bedeutendste Wirtschaftszweig im Tal. Auch die Montafonerbahn ist über hundert Jahre nach ihrer Eröffnung ein tagtägliches Verkehrsmittel und entspricht mehr denn je den ökologischen Trends der Zeit. Sowohl die Obere, als auch die Untere Fabrik sind heute sanierte Schmuckstücke und prägen das Ortsbild von Schruns. In der Unteren Fabrik in der Batloggstraße befinden sich Wohnungen und das Pub Oneway, die Obere Fabrik in der Kronengasse beherbergt unter anderem das Kunstforum Montafon.

Die Obere und Untere Fabrik schmücken heute das Ortsbild von Schruns. (Fotograf: Friedrich Böhringer)

Im Wirtschaftsarchiv Vorarlberg und im Schrunser Heimatmuseum finden sich historische Aufzeichnungen, Fotos und Gegenstände aus der früheren Lodenfabrik. Sie wurden von der Familie Borger und anderen Zeitzeugen überlassen. Damit kann die Geschichte der Lodenfabrik auch für zukünftige Generationen sichtbar gemacht werden. Spannende Einblicke bietet derzeit die Ausstellung:

 

„Vom Montafon zum Himalaya – Geschichte der Schrunser Lodenfabrik“
Eine Ausstellung des Wirtschaftsarchivs Vorarlberg und der Montafoner Museen.

Vorarlberger Landhaus, Römerstr. 15 in Bregenz.
Dauer: 14. bis 30. Mai 2018, Öffnungszeiten: Montag bis Freitag, 8 bis 18 Uhr.
Eröffnung am Dienstag, 15. Mai 2018, 17:00 Uhr.

 

Weiterführende Informationen:

Das Montafon in Geschichte und Gegenwart, Band 4: Bevölkerung-Wirtschaft. Das lange 20. Jahrhundert, herausgegeben von Norbert Schnetzer und Wolfgang Weber, Schruns 2012, 334 Seiten.

Montafoner Schriftenreihe, Band 28: Vom Montafon zum Himalaya. Geschichte der Schrunser Lodenfabrik, herausgegeben von Christian Feurstein und Michael Kasper, Schruns 2018, 158 Seiten.

Zeitzeugenabend Lodenfabrik von Montafon TV: Video

Wirtschaftsarchiv Vorarlberg: www.wirtschaftsarchiv-v.at

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